Über Schwangerschaft wird oft in rosaroten Farben gesprochen – doch die Realität ist oft vielschichtiger… Die Gynäkologin hinter dem Account @la.gyneco spricht offen über die echten Herausforderungen während Schwangerschaft und Wochenbett: wenig bekannte Symptome, emotionale Umwälzungen, körperliche Veränderungen – und vor allem über die Bedeutung einer liebevollen Begleitung.
In diesem ehrlichen Interview voller Tipps teilt sie Dinge, über die man selten spricht – damit sich werdende und frischgebackene Mütter verstanden, vorbereitet und unterstützt fühlen. 🤰✨
💬 Was man wissen sollte, auch wenn es selten gesagt wird
Welche Schwangerschaftssymptome werden kaum erwähnt, obwohl jede Frau sie kennen sollte?
Das erste Trimester fühlt sich für viele wie eine Depression an: extreme Müdigkeit, Reizbarkeit, Übelkeit, Wut… Viele Frauen zweifeln dann an allem – an sich, ihrer Beziehung, am Kinderwunsch. Wichtig ist: Das geht vorbei. Bei einer zweiten Schwangerschaft, besonders wenn sie nah auf die erste folgt, kommt es häufiger zu Belastungsinkontinenz, die oft nach der Geburt oder sogar schon während der Schwangerschaft behandelt werden kann.
Ist es normal, sich in der Schwangerschaft nicht „strahlend schön“ zu fühlen?
Absolut. Nicht jede erlebt die Schwangerschaft als erfüllend. Viele fühlen sich allein oder schuldig – beeinflusst von idealisierten Bildern auf Social Media. Diese Frauen brauchen Verständnis, Begleitung – und das Gefühl, nicht allein zu sein.
Ab wann sollte man sich bei Schmerzen oder Blutungen wirklich Sorgen machen?
Wenn Schmerzen nicht durch Spasmolytika, Paracetamol oder eine warme Dusche gelindert werden, sollte man ärztlichen Rat einholen. Jede Blutung in der Schwangerschaft sollte zeitnah abgeklärt werden.
Darf man in der Schwangerschaft wirklich alles machen (Sport, Reisen, Sex etc.)?
Ein normales Leben ist ausdrücklich erwünscht – angepasst an die körperliche Verfassung. Vermeiden sollte man Aktivitäten mit Sturzrisiko oder Schlägen auf den Bauch (z. B. Skifahren). Reisen sind möglich, mit Vorsicht. Und: Sex ist (ohne medizinische Kontraindikation) die ganze Schwangerschaft über erlaubt.
Das Wochenbett ist wie ein Tsunami – wie kann man sich wirklich vorbereiten?
Diese Zeit ist oft überwältigend – emotional und körperlich. Vorbereitung hilft: ein Unterstützungsnetz, vorgekochtes Essen, Hilfe im Haushalt, und vor allem – ein gut informierter Partner oder eine Partnerin.
💡 Was man sich oft nicht zu fragen traut
Warum empfinden manche Frauen nach der Geburt eine Art „Körperverlust“?
Das „leere Gefühl“ im Bauch kann echte Sehnsucht auslösen. Der Körper ist leer – aber das Gehirn hat das oft noch nicht verarbeitet. Darüber zu sprechen hilft beim Ankommen.
Ist es schlimm, wenn man nicht sofort eine Bindung zum Baby spürt?
Nein. Die Bindung braucht manchmal Zeit. Es gibt keinen „richtigen“ Moment – jede Beziehung ist individuell.
Keine Lust, Schmerzen, Erschöpfung – wie findet man nach der Geburt wieder ins Gleichgewicht?
Mit Zeit, Geduld und Selbstfürsorge. Redet miteinander – und holt euch Hilfe, wenn es nötig ist. Schuldgefühle sind fehl am Platz.
Was unterscheidet den Babyblues von einer echten Wochenbettdepression?
Der Babyblues beginnt meist am 3. Tag nach der Geburt, dauert bis zu zehn Tage und äußert sich durch starke Stimmungsschwankungen. Wenn Traurigkeit anhält, sich verstärkt oder die Mutter sich vom Baby zurückzieht, spricht man von einer postpartalen Depression – bitte ernst nehmen.
🤰 Geburt: Zwischen Ideal und Realität
Peridural oder nicht – wie trifft man wirklich die richtige Entscheidung?
Eine Geburt ohne PDA braucht mentale und körperliche Vorbereitung. Diese Entscheidung ist sehr persönlich – und darf sich jederzeit ändern. Es gibt kein Scheitern – nur einzigartige Geburtsgeschichten.
Kann man sich überhaupt auf eine Geburt vorbereiten – oder muss man einfach loslassen?
Das hängt vom Typ ab. Manche brauchen Kontrolle, andere leben lieber im Moment. Ein gutes Gespräch im ersten Trimester hilft, den eigenen Weg zu finden.
Was ist eigentlich eine „gelungene Geburt“?
Eine Geburt ist gelungen, wenn Mutter und Kind körperlich *und* seelisch wohlauf sind – und wenn die Frau sie nach ihren eigenen Maßstäben als positiv erlebt.
Wie sieht die Wahrheit über den Dammschnitt aus?
Ein Dammschnitt darf nur mit ausdrücklicher Zustimmung erfolgen – und nur im medizinischen Notfall. Er ist ein invasiver Eingriff und kann schmerzhaft heilen. Bei Unsicherheit nach der Geburt: bitte kontrollieren lassen.
Welche Rolle spielt der Partner oder die Partnerin im Kreißsaal wirklich?
Die, die sie oder er einnehmen möchte. Partner:innen können emotionale Stütze sein, die Verbindung zum Team übernehmen und Sicherheit vermitteln. Wenn möglich, ist Geburt eine gemeinsame Erfahrung.
🌿 Körper, Vertrauen, Intuition
Was sollten alle Frauen über ihren Körper wissen?
Dass sie stark, belastbar und klug sind. Und dass sie ihrem Körper vertrauen dürfen.
Social Media idealisiert die Mutterschaft – wie findet man seine eigene Wahrheit wieder?
Indem man offline geht, sich mit echten Frauen austauscht, auf sein Bauchgefühl hört – und sich von achtsamen Fachpersonen begleiten lässt.
Gibt es den Mutterinstinkt wirklich – oder ist das ein Mythos?
Ja, es gibt ihn. Aber unsere verkopfte Gesellschaft entfremdet uns oft davon. Die gute Nachricht: Er wächst mit jedem Kind.
Gibt es den einen „richtigen“ Weg, Mutter zu sein?
Den eigenen. Den, der zu dir und deinem Kind passt. Es gibt keine Anleitung – nur tägliches Ausprobieren und Wachsen.